Seit Monaten senden Aktien- und Anleihemarkt sehr unterschiedliche Signale an die Investoren. Die stärkste je gesehene Kurserholung hat seit März die großen Aktienindizes in nur sechs Monaten um über 50 Prozent ansteigen lassen. Diese V-förmige Erholung müsste jetzt auch von der Realwirtschaft nachvollzogen werden, damit sich nicht in einigen Monaten herausstellt, dass die Fantasie der Aktienanleger viel zu groß war. Gleichzeitig liegen die Renditen von langfristigen Staatsanleihen heute tiefer als im März, obwohl niemals in der Geschichte das Angebot an neuen Staatsanleihen und Unternehmensanleihen größer war als in diesen sechs Monaten. Auch wenn die Geldmarktzinsen inzwischen unter einem Prozent liegen, ist es doch sehr überraschend, dass die Investoren in Zeiten einer bewussten und auch öffentlich zugegebenen Gelddruckaktion der Notenbanken keine höhere Risikoprämie für langfristige Schuldtitel verlangen. Der Verdacht liegt nahe, dass die Großzahl der Investoren auf die wiederkehrenden Krisenbekämpfungsmaßnahmen der US-Notenbank und der Europäischen Zentralbank, nämlich die Leitzinsen kräftig zu senken, mit ihrem altbekannten Reflex reagieren: dies als Aufforderung zu sehen, sämtliche Anlageklassen zu kaufen und versorgt mit kostenloser Finanzierung zu spekulieren.